[IP-OA_Forum] Erfahrungen mit der praktischen Anwendung von §38 (4) UrhG in der Praxis; hier: Zusammenfassung der Antworten / Meine E-Mail vom 8.7.2015

Sebastian Nix sebastian.nix at wzb.eu
Mo Aug 10 16:54:34 CEST 2015


** Doppelempfang bitte ich zu entschuldigen! **

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

auf diesem Weg möchte ich nochmals all denen danken, die auf meine Anfrage
über diese Liste in Sachen Zweitveröffentlichungsrecht vom 8.7.2015
geantwortet haben. Wiederholt wurde ich nun gebeten, auch eine
(anonymisierte) Zusammenfassung der Antworten über die Liste (und nicht nur
an die Antwortenden) zu versenden. Dieser Bitte komme ich hiermit gerne
nach.

 

Insgesamt haben KollegInnen aus acht Bibliotheken auf die Anfrage
geantwortet, darunter vier  Spezialbibliotheken, drei
Universitätsbibliotheken sowie eine Zentrale Fachbibliothek.

 

An allen Einrichtung werden OA-Services angeboten, wenn auch in
unterschiedlicher Breite und Tiefe.

 

Häufig genannt wurden Beratungsangebote für AutorInnen (z.B. Rechteklärung,
Einholung der Rechte von MitautorInnen).

 

In Einzelfällen wurde berichtet von einer Tendenz zu goldenem und hybriden
OA, die einhergeht mit der Dokumentation von APCs und/oder der Verwaltung
eines OA-Publikationsfonds.

 

Einen systematischen Zweitveröffentlichungsservice gibt es nur sehr
vereinzelt; ein solches Angebot ist aber zum Teil im Aufbau. Im Einzelnen
wurde zum Thema „Zweitveröffentlichung“ Folgendes berichtet:

- Die Zweitveröffentlichung ist nicht immer auf Aufsätze beschränkt.
Vielmehr werten einige wenige Institutionen die gesamten Publikationslisten
ihrer AutorInen mit Blick auf Möglichkeiten der Zweitveröffentlichung aus.

- §38 (4) UrhG ist bei keiner Einrichtung das einzige „Standbein“ in Sachen
Zweitveröffentlichung. In einem Fall wurde explizit darauf hingewiesen, dass
auch der Rekurs auf §38 (1) bzw. §38 (2) UrhG ergiebig in Sachen
Zweitveröffentlichung sein kann. In einem Fall nimmt die institutionelle
Publikationsrichtlinie Bezug auf das gesetzlich verbriefte
Zweitveröffentlichungsrecht gem. §38 (4) UrhG (Aufforderung an die
AutorInnen, dieses Recht aktiv wahrzunehmen).

- Nicht untypisch ist, dass die Policies der Verlage auf
Zweitveröffentlichungsmöglichkeiten hin geprüft werden (auch anhand von
SHERPA/RoMEO sowie anhand der Open-Access-Klauseln in den
Allianz-/Nationallizenzverträgen).

- In einem Fall erfolgt ein konsequentes Freischalten des Verlags-PDFs nach
einem Jahr, wobei es bislang eine Take-down-Aufforderung eines großen
Verlages /Taylor&Francis) gab, der zeitnah Folge geleistet wurde. Diese
Praxis wird von der Leitung der Einrichtung und dem Betreiber des
Repositoriums, über das die Veröffentlichung der Verlagsfassungen erfolgt,
mitgetragen.

- Zweitveröffentlichung bedeutet ggf. auch Retrodigitalisierung von
Veröffentlichungen durch die Bibliothek.

-Die Abwicklung der Zweitveröffentlichung erfolgt ggf. über die
„corresponding authors“.

- Haftungsfragen im Zusammenhang mit der OA-Zweitveröffentlichung werden an
den Einrichtungen anscheinend nicht immer thematisiert. Im Zweifelsfall
liegt die Haftung offenbar bei den AutorInnen, sofern Rechtsverstöße nicht
klar zu Lasten der Bibliothek gehen. In zwei Fällen wurde allerdings von
einer expliziten bzw. „impliziten“ Haftungsfreistellung für die AutorInnen
berichtet.

- In jeweils einem Fall werden das institutionseigene
Forschungsinformationssystem bzw. das Publikationserfassungssystem zur
Unterstützung des Workflows für die Zweitveröffentlichung genutzt
(Dokumentation, rechtliche Absicherung, Repository-Upload).

- Speziell im Zusammenhang mit §38 (4) UrhG wurden folgende Aspekte
thematisiert:

* Die Einschätzungen bezüglich der Zweitveröffentlichungsfähigkeit von
Artikeln aus Zeitschriften, für die Verlagsverträge nach ausländischen Recht
abgeschlossen wurden, reichten von „problematisch“ bis „Mut zum Risiko“.
Wiederholt wurde in diesem Kontext verwiesen auf die Publikation von
Bruch/Pflüger 2014 (hdl:10013/epic.43474).

* Selten angesprochen wurde die Frage, wie mit dem Kriterium der überwiegend
öffentlichen Finanzierung umgegangen wird. In einem Fall wurde berichtet,
dass jede Publikation einem Forschungsprojekt zugeordnet und dann geprüft
wird, ob dieses zu mindestens 50% öffentlich finanziert ist.

* Die Frage, ob die Zweitveröffentlichung durch Forschende an
außeruniversitären Einrichtungen im Rahmen von §38 (4) UrhG generell
privilegiert sei, wurde nur einmal angesprochen – und in diesem Fall
tendenziell verneint.

* Wiederholt wurde aus der Praxis berichtet, dass die Beschaffung der
Postprint-Fassung von Publikationen aus den unterschiedlichsten Gründen
schwierig sei.

 

Weitere Aspekte, die ich für interessant halte:

- In einem Fall wird die Open-Access-Sichtbarkeit von Veröffentlichungen
aktiv als Beleg für den gesellschaftlichen Impact der Forschung an der
entsprechenden Einrichtung kommuniziert.

- In einem Fall wurde berichtet, dass insbesondere für die
Zweitveröffentlichung zusätzliche Arbeitskapazitäten (19 Wochenstunden
wissenschaftliche Hilfskraft) geschaffen wurden. In einem weiteren Fall –
ein Zweitveröffentlichungsservice ist an der entsprechenden Bibliothek
gerade im Entstehen begriffen – schätzte die verantwortliche Person, dass
derzeit etwa 10% ihrer Arbeitszeit (vermutlich basierend am einer
Vollzeitstelle) für Zweitveröffentlichungsfragen aufgewendet werden.
Punktuelle Unterstützung der entsprechenden Aktivitäten erfolgt durch
Auszubildende, ReferendarInnen und ggf. PraktikantInnen.

 

Ich hoffe, Ihnen hiermit einen Eindruck vom Spektrum der Antworten
vermittelt zu haben.

 

Mein Fazit: OA-Zweitveröffentlichungsservices sind noch ein sehr neues,
komplexes Arbeitsfeld für Bibliotheken, in das es sich aus institutioneller
Sicht aber zu investieren lohnt.

 

In diesem Sinne sende ich Ihnen 

 

beste Grüße, 

 

Sebastian Nix

 

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